Die Entwicklung des Segelsports geht in weiten Bereichen immer mehr in Richtung High-Tech-Lifestyle-Cruising. Damit verbunden ist leider auch eine wachsende Abhängigkeit von komplizierter Bordtechnik und fachlich gut geschultem Wartungspersonal im Hafen. Das Segel-Naturerlebnis rückt immer weiter in den Hintergrund. Brauchen wir wirklich Laminatsegel, Plotter am Doppel-Steuerstand, Bussysteme in der Bordelektronik, Kap-Hoorn-taugliches 3-Lagen-Ölzeug und andere Lifestyle-Attribute an Bord, um sicher, entspannt, verantwortungsvoll und vor Allem mit viel Vergnügen zu segeln? Warum gehen wir eigentlich segeln? Ist es nicht in erster Linie der Wunsch nach etwas mehr Unabhängigkeit, mehr Naturnähe? Abstand zum computergeprägten Arbeitsalltag? Aktiv gelebte Auseinandersetzung mit Wind, Wellen und Wetter? Lässt sich wahre Freude am Segeln nur mit einem High-Tech-Boot erreichen? Der Regattasegler wird diese Fragen anders beantworten als der Fahrtensegler, doch wendet sich dieses Buch an Letztere, die Segeln als möglichst weitgehende Befreiung vom Land-Alltag erleben wollen.
Rückkehr zum Wesentlichen
Nach einer kritischen Analyse der Entwicklung des Segelsports stelle ich in meinem neuen Buch sehr konkret und pragmatisch dar, wie der Segler mit weniger moderner Technik, weniger Materialeinsatz und auch weniger finanzieller Belastung, dafür aber mit mehr Unabhängigkeit, mehr Naturnähe und mehr Nachhaltigkeit seinen Segelgenuss steigern kann. Aber keine Sorge: Hier soll nicht das Leben des postmodernen Segelhippies verherrlicht werden, der an Deck Kräuter züchtet, Konsumverzicht predigt, Pi mal Daumen ohne GPS navigiert und sich auf seinem 8 m langen, alten Seelenverkäufer nur mit Mühe über Wasser halten kann.
Vielmehr wollen wir – nicht zuletzt auch dem jüngeren, vielleicht weniger erfahrenen, aber umso intensiver von Segelreisen träumenden Segler – konkret zeigen, dass es möglich ist, bei geschickter Planung, sinnvoller Wahl des Bootes und der Ausrüstung und einer auf Naturnähe und Nachhaltigkeit zielenden Grundhaltung mehr Unabhängigkeit, mehr Freude am Segeln zu erzielen, ohne dabei an Bord einen kultivierten Lebensstil aufgeben zu müssen.
Einen Schwerpunkt bildet die Frage, wie sich der Traum der großen Seereise unter selbst gesetzten Segeln auch heute noch ohne größere finanzielle Lasten mit einem sicheren und zuverlässigen Boot in naturnaher Haltung verwirklichen lässt. Darum beinhaltet das letzte Kapitel konkrete Hilfestellungen bei der Suche nach einer älteren, aber soliden und zuverlässigen gebrauchten Yacht.
Das Buch erscheint Mitte Januar 2021 im Buchhandel (Delius -Klasing)
Und wie seht Ihr dieses Thema?
Schaue ich zu oft in den Rückspiegel ? Oder seid Ihr auch der Meinung, dass das Fahrtensegeln durch den Einsatz von immer mehr "moderner" Technik an Unabhängigkeit, an Reiz und an Naturnähe verliert?
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Thomas SV Carmina (Freitag, 08 Januar 2021 23:27)
Rückspiegel hin oder her.
Der moderne Bootsbau und damit das neuzeitliche Segeln hat mit "Blauwasser-Segeln" einfach nicht mehr viel Gemeinsames.
Da wird von Marketing-Spezialisten ein möglichst voluminöses Schiff entworfen. Stylisten und Innenarchitekten entwerfen "Gaststätten" und damit Bilder für Life-Style-Magazine. Schiffe ab +40 Fuss sind bereits mit Heck- und Bugstrahlruder ausgerüstet, weil diese leichtgewichtigen Flachbauten kaum mehr etwas Wind von Dwars beim Anlegen ertragen. Und, es müssen mindestens zwei Steuerräder im Cockpit stehen, sonst ist man "Unterbemittelt". Joystiks sind bald wichtiger als das Ruder selbst. Natürlich braucht es von diesen Netz- und Leinenfänger usw. mindestens zwei, damit wenigstens noch eines funktioniert!
Ich sehe bei uns an der niederländischen Nordseeküste. Wenn's mal draussen etwas kachelt, sind diese Bewohner ihrer Zweitwohnung allermeistens am "borelen" (Apéro) und Klönschnaken. - Aber natürlich alle im entsprechenden Dress-Code, selbstverständlich mit Label-Ware. Ne... da braucht man nicht Nostalgiker zu sein. Und ein Blick in die jährliche Rettungsstatistik der KNMR zeigt, dass die Schäden an Ruder, Rigg und Saildrive ständig zunehmen. Ebenso die Verletzungen von Crew-Mitgliedern, die durch die breiten Innenräume (ohne jegliche Festhalte-Möglichkeiten) geschleudert werden.
Oder bin ich mit meiner Einstellung vielleicht auch einfach im 20th Jahrhundert stehen geblieben? Wenn ja, dann immerhin glücklich und zufrieden und mit einem echt seegängigen Schiff.